Räder lösen ist nicht schwer…

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Bildquelle: Pixabay

In den letzten Wochen und Monaten beherrschte kaum ein Thema die Berichterstattung so sehr wie Covid-19. Angesichts der damit verbundenen Einschränkungen im Verkaufs- und Werkstattgeschäft war das auch gut so. Daneben existieren jedoch noch weitere Themen, die für das Werkstattgeschäft und die Existenz des Betriebes nicht weniger relevant sein können. Die fachgerechte Durchführung des Reifen- und Räderwechsels ist eines davon.

Auf die Haftung der Werkstatt für Schäden infolge eines unterbliebenen Hinweises zum Nachziehen der Radmuttern (LG Heidelberg, Urt. v. 27.07.2011 – 1 S 9/10) oder für Schäden am Fahrzeug, die das fehlerhafte Ansetzen des Wagenhebers durch unzureichend qualifiziertes Personal verursacht (z. B. LG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 03.04.2014, Az. 3 S 6/14) sei hier lediglich hingewiesen. Wie die Fallgestaltungen jedoch verdeutlichen, kann ein fachgerechter Rei­fenwechsel nur mit entsprechender Sorgfalt und Fach­kenntnis durchgeführt werden.

Der Kunde vertraut seiner Werkstatt
Wer sein Fahrzeug einem Fachbetrieb übergibt, muss auf die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeiten und den Fortbestand der Betriebserlaubnis – über den Aufenthalt in der Werkstatt hinaus – vertrauen können.
Denn auch wenn der Halter für den ordnungsgemäßen Zustand seines Fahrzeugs verantwortlich ist, würde es zu weit gehen ihm – wie es das AG Sinsheim in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren getan hat (OWi 186/92, v. 07.09.1992) – eine generelle Pflicht aufzuerlegen, nach einem Reifenwechsel durch einen Fachbetrieb oder eine Vertragswerkstatt zu überprüfen, ob die montierten Reifen den Angaben im Fahrzeugschein entsprechen. Schließlich verfügt der durchschnittliche Kraftfahrer weder über das technische Wissen im Detail noch beherrscht er dessen praktische Umsetzung. Er nimmt die Dienste des versierten Fachbetriebs gerade deshalb in Anspruch, um seiner Pflicht zu genügen, ein ordnungsgemäß ausgestattetes Fahrzeug im öffentlichen Straßen­verkehr zu benutzen. Daher besteht für eine Über­prüfung des Auftrags nach dessen Beendigung für ihn in der Regel kein Anlass (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.03.1993, Az. 2 Ss 3/93). Umgekehrt besteht diese Pflicht aber für die Werkstatt!
Das „Ob“ und „Wie“ der Pflicht zur Überprüfung der Reifen bei einer Fahrzeuginspektion hängt allerdings in erster Linie von dem zugrundeliegenden Auftrag ab (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.03.2006, Az. I-1 U 205/05). Der Aufwand für eine Sichtprüfung ist überschaubar und hilft Streit mit dem Kunden zu vermeiden. Ggf. können sogar weitere Umsätze generiert werden. Und der Kunde ist dankbar.

Reifenhändler sind zu einer Überprüfung verpflichtet!
Ist der Reifen neu, kann davon ausgegangen werden, dass er in Ordnung ist. Allerdings sieht die Rechtspre­chung bei Gebrauchtreifen eine Untersuchungspflicht des Händlers vor. Von Reifenfachbetrieben wird erwar­tet, dass sie die Reifen auf ihr Alter und ihre Verkehrs­tüchtigkeit hin überprüfen, wenn keine äußeren An­haltspunkte auf einen möglichen Mangel hindeuten (OLG Nürnberg, Urt. v. 05.02.2002, Az. 3 U 3149/01).
Betriebe, bei denen das Reifengeschäft quasi neben-herläuft, wie beispielsweise Autoverwerter (OLG Köln, Urt. v. 22.01.2002, Az. 3 U 142/01; v. 07.11.2000, Az.3 U 100/98) sind zu einer Sichtkontrolle und einer Über­prüfung der DOT-Nummer verpflichtet, bevor die Reifen in den Verkauf gelangen. Schließlich ist die Lie­ferung eines verkehrstüchtigen Reifens auch im Ge­brauchtreifenhandel eine der Kardinalpflichten des Verkäufers (LG Osnabrück, Urt. v. 17.02.1984, Az. 11 S 329/83). Wer diese verletzt, darf sich nicht wundern, wenn er später haftet, weil ein übersehener Mangel zum Platzen des Pneus geführt hat.

Ein Reifenwechsel ist keine Inspektion!
Abschließend sei angemerkt, dass einen Unternehmer nebenvertragliche Aufklärungs- und Beratungspflich­ten nur in dem Umfang treffen, wie sie der Besteller nach den Umständen des Einzelfalls berechtigterweise erwarten kann.
Die Werkstatt treffen daher zwar Aufklärungs- und Hinweis­pflichten, was das in Auftrag gegebene Werk angeht. Eine all­umfassende Pflicht zur Aufklärung oder gar zur Durchführung weiterer Arbeiten, besteht jedoch nur, soweit hierfür auch ein besonderer Auftrag erteilt worden ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.02.1999, Az. 22 U 161/98).

Wenn ein Kunde Kompletträder mitbringt, empfiehlt es sich, auch diese vor der Montage nochmals zu überprüfen. Selbst wenn die Reifen in Ordnung sind, das Herstelleremblem auf der Linse prangt und der Lochkranz passt, kann der Felge die Zulassung für das Kundenfahrzeug fehlen. Die Montage derartiger Räder führt dennoch zum Erlöschen der Betriebs­erlaubnis, wenn es eine Gefährdung für Verkehrsteilnehmer schafft (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 31.05.2011, Az. 10 S 1857/09). Die Rückrüstung der Räder führt nicht automatisch zum Wiederaufleben der Betriebserlaubnis. Diese ist neu zu beantragen (BGH, Urt. v. 11.12.2019, Az. VIII ZR 361/18). Wer indes vom Kunden mitgebrachte Räder umrüstet, ist daher gut beraten, wenn er darauf achtet, dass diese auch auf dem Fahrzeug montiert werden dürfen. Im Zweifelsfall sollte der Kunde dies durch Vorlage einer entsprechenden ABE nachweisen.

So wenig wie ein Kunde, der einen Reifenwechsel und eine Spureinstellung in Auftrag gegeben hat, von der Werkstatt eine komplette Inspektion des Fahrzeugs erwarten kann, muss diese den Kunden auf etwaige Mängel am Fahrzeug hinweisen die außerhalb des Auftrags liegen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.02.2016, Az. 4 U 60/15).

Wurde eine Inspektion in Auftrag gegeben, zählt es zu den Pflichten einer Kfz-Werkstatt, auf solche Maßnahmen hin­zuweisen, deren Notwendigkeit unmittelbar bevorsteht. Als unmittelbar bevorstehend sieht die Rechtsprechung Arbei­ten an, die in einem Zeitraum von weniger als drei Monaten oder innerhalb einer Laufleistung von 5.000 km anfallen (vgl. OLG Schleswig-Holstein, Urt. v. 17.12.2010, Az. 4 U 171/09). Ist dies absehbar, kann die Werkstatt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssit­te dazu verpflichtet sein, den Kunden darauf hinzuweisen, wenn sich die in Auftrag gegebenen Arbeiten in Hinblick auf die erkennbaren, weiteren Instandsetzungsarbeiten „nicht lohnen“ (LG Mainz, Urt. v. 31.10.2013, Az.3 S 197/12).

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